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Was darf es kosten? Finanzierung der Spitex


Spitex. Copyright: Spitex Schweiz/Pia Neuenschwander

Die Spitex ist ein wichtiger Teil des schweizerischen Gesundheitssystems. Zudem wird sie laut Pellegrini et al. (2022) bis im Jahre 2040 einen starken Wachstum in den Anzahl Klient:innen verzeichnen (+52,3%). Dies einerseits durch die demografische Entwicklung, anderseits durch den Wunsch der Bevölkerung, möglichst lange Zuhause zu leben sowie den politischen Bestrebungen von "ambulant vor stationär".


Die Spitex unterstützt Menschen in ihrer häuslichen Umgebung. Wie ist sie organisiert? Wer bezahlt diese Leistungen? Wie unterscheidet sie sich von anderen Gesundheitsdienstleitern und wie könnte die Finanzierung der Zukunft aussehen? In diesem Blogartikel möchten wir dies genauer betrachten.


Wer bietet Spitexleistungen an?

Die allermeisten Spitex-Organisationen haben einen Leistungsauftrag mit ihrer jeweiligen Gemeinde oder Kantons. Denn es ist Aufgabe der Gemeinde die Versorgung der Bevölkerung mit spitalexterner Pflege zu sichern.


Der Versorgungsauftrag verpflichtet die Organisation jedoch dazu, alle Klientinnen und Klienten bei ausgewiesenem Bedarf anzunehmen (KVG Art. 44). Unabhängig davon, wie komplex die Behandlung, wie weit der Anfahrtsweg und wie kurz die Einsatzdauer ist (Spitex Verband Aargau, 2017). Also auch, wenn der Einsatz nicht profitabel ist.


Laut dem Bundesamt für Statistik (2022) gab es im Jahr 2021 in der Schweiz über 2600 Spitex-Leistungserbringer.


Davon sind 1421 Leistungserbringer selbständige Pflegefachpersonen, gefolgt von 608 erwerbswirtschaftlichen, also privaten Spitexorganisationen sowie 584 Spitexorganisationen, die gemeinnützig und öffentlich-rechtliche organisiert sind. Es gibt tatsächlich 382 private Spitexorganisationen, jedoch sind viele davon in mehreren Kantonen tätig und daher mehrfach gezählt (Anhand der Betriebsbewilligungen).

Anzahl Spitexorganisationen (BFS, 2022)
Anzahl Spitexorganisationen (BFS, 2022)

Während in der Deutschschweiz die meisten Spitex-Organisationen kleineren Organisationen geprägt ist. ist dies in der Westschweiz und im Tessinanders. Dort ist die Spitex vornehmlich in grösseren Strukturen organisiert; meist als grosse regionale oder kantonale Vereine oder Stiftungen (Spitex Schweiz, n.D.)


Die Anzahl Vollzeitstellen sind bei den Leistungserbringern in umgekehrter Reihenfolge zu der Anzahl Leistungserbringer zu verzeichnen. Die öffentlich-rechtliche Spitexorgansationen sind die grössten Unternehmen mit über 20'147 VZ (Vollzeitstellen) im Vergleich zu 6'077 VZ in privaten Spitexorganisationen und 910 VZ bei selbständigen Pflegefachpersonen. Entsprechend ist die Anzahl der Klientinnen verteilt.


Anzahl Vollzeitstellen in der Spitex (BFS, 2022)
Anzahl Vollzeitstellen in der Spitex (BFS, 2022)

Wer finanziert die Spitex?


Die Kosten der Spitex machen bei den Gesamtkosten des Gesundheitswesens nach wie vor einen Bruchteil aus. Gerade etwa 3.1%. Tendenz steigend (BAG, 2023). Nichtsdestotrotz werden die Leistungen stark kontrolliert.

"Wer sich 8 mal am Tag die Zähne putzen lassen will, wird schnell merken, dass die Krankenversicherung dafür nicht aufkommen will".

Leistungen der Spitex sind in der Grundversicherung der Krankenversicherung enthalten und

werden von diesen in der Regel übernommen. Die Leistungen sind in einem Leistungskatalog definiert und kategorisiert in A, B und C- Leistungen mit jeweils anderen Tarifsätzen.


Die Versicherungen müssen jedoch nur die Leistungen bezahlen, die notwendig sind und die sie als wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich erachten. Wer 8 mal am Tag sich die Zähne putzen lassen will, wird schnell merken, dass die Krankenversicherung dafür nicht aufkommen will. Sie muss jedoch für Leistungen bezahlen, die mehr Zeit benötigen, als die vorangeschlagten Zeiten im Leistungskatalog. Schliesslich arbeitet in der Spitex Menschen mit Menschen und nicht Maschinen. Wo bei Frau Meier 6 Minuten zur Medikamentenabgabe reichen, kann dies bei Frau Eberhard nicht der Fall sein.


Doch nicht nur die Krankenversicherung bezahlt Leistungen. Die Spitex wird von der öffentlichen Hand (Kantone und Gemeinden), den Versicherungen (Kranken-, Unfall-, Invaliden- und Militärversicherungen) und von den Klientinnen und Klienten finanziert.

Die Finanzierung durch die öffentliche Hand basiert auf den Leistungsverträgen mit dem Kanton oder der Gemeinde. Bedeutet, Organisationen ohne Leistungsverträgen, erhalten diese Finanzierung nicht.


Die Einnahmen der Spitexorganisationen teilten sich im Jahre 2021 wie folgt auf: (BFS, 2022)

  • 75% durch in Rechnung gestellte Leistungen: Versicherer, Klienten/-innen, Kantone und Gemeinden

  • 23% Beiträge aus der öffentlichen Hand (Kantone, Gemeinden)

  • 2% von Mitgliederbeiträgen und Spenden

Einnahmen von Spitexorganisationen
Einnahmen von Spitexorganisationen (BFS, 2022)

Das Unikat der Finanzierung der Pflege

Im Unterschied zum Akutspital wo mit Fallpauschalen, auch DRG genannt, gerechnet wird, wird in der Spitex mit Tarifen gearbeitet, die aufgeteilt sind anhand der Leistungen.


Die Tarife sind dabei gesetzlich festgelegt. In keinem anderen Beruf sind die Tarife im KLV festgelegt, die Pflege bildet eine Ausnahme. Diese Tarife wurden 2011 festgelegt und 2020 statt erhöht, um 3.6% gesenkt (BAG, 2019).


Die Tarife sollten sich der Entwicklung der Pflege und der Komplexität der Einsätze Rechnung tragen, stattdessen wird bei der Pflege gespart.


Durch Annahme der Pflegeinitiative wird die Abrechnung und hoffentlich die Tarifierung nochmals angeschaut, was meiner Meinung nach dringend notwendig ist.


Wenn die Spitex auch in den nächsten Jahren eine qualitativ gute Pflege anbieten soll, muss die Tarifierung anders gestaltet sein. Aktuell ist es so, dass es interessant ist, möglichst gering ausgebildetes Personal in die Einsätze zu senden.

Dadurch können jedoch Dekompensationen von Klient:innen weniger erkannt werden. Es kann zu Hospitalisationen sowie verfrühte Heimeintritte führen. Das ist entgegengesetzt der ambulant vor stationär Strategie.

Die Tarife sollten stattdessen nach Ausbildungsstand oder Funktion bezahlt werden.


Kostenrelevante Pflegedokumentation

Die Finanzierung der Spitex wird stark kontrolliert. Nicht selten erhalten Spitexorganisationen Rückweisungen von Rechnungen und Kürzungen von Leistungen. Solch eine Kürzung kann schnell interne Zusatzkosten von mehreren tausend Franken bedeuten.

Schlecht dokumentierte Pflege bringt kein Geld, auch bei super toll erbrachten Leistung bei den Klient:innen.

Man setzt sich mit den Krankenversicherungen telefonisch und schriftlich auseinander, man bespricht sich mit den Bezugspersonen, Klient:innen, Leitungspersonen. Es werden Wiedererwägungsgesuche formuliert. Das kann sich über Monate hinziehen.

In der Administration werden Rückstellungen getätigt. Gegenüber der Geschäftsleitung, dem Vorstand oder auch der Gemeinde muss Rechenschaft abgelegt werden usw.

Das alles kostet.


Wer in der Spitex arbeitet, muss sich vertieft mit der pflegerischen Dokumentation auseinandersetzen, denn diese ist kostenrelevant. Schlecht dokumentierte Pflege bringt kein Geld, auch bei super toll erbrachten Leistung bei den Klient:innen.


Die Kontrolle der Leistungen ist nicht nur schlecht. Sie zwingt die Pflege, ihre Leistungen nachzuweisen, dranzubleiben und den Pflegeprozess zu leben.


Wenn du dem Pflegeprozess in deiner Spitexorganisation mehr Leben einhauchen und die Dokumentationsqualität verbessern willst, dann melde dich gerne. Wir können helfen.



Jennifer Kummli

Pflegeexpertin APN/ MScN


Literatur


Bundesamt für Gesundheit (2019). Verordnung vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (KLV) (Kostenneutralität und Bedarfsermittlung für Pflegeleistungen)


Bundesamt für Statistik (2022). Spitex: Synthese nach Leistungserbringertyp. Heruntergeladen von https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitswesen/hilfe-pflege-hause.assetdetail.23566159.html



Pellegrini, S., Dutoit, L., Pahud, O. & Dorn, M. (2022). Bedarf an Alters- und Langzeitpflege in der Schweiz. Prognosen bis 2040 (Obsan Bericht 03/2022). Neuchâtel: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium.


Spitex Schweiz (n.D.) Wie ist die Spitex organisiert. Heruntergeladen von https://www.spitex.ch/Spitex/Struktur-Finanzierung/PAL3U/


Spitex Verband Kanton Aargau (2017). Fakten und Trends. Heruntergeladen von https://www.spitexag.ch/files/4N2PVPP/spitex_infobroschuere_170216_einzelseiten_web.pdf





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