„Es passiert ja eh nichts…“ Wie wir CIRS endlich wirksam nutzen
- carolesteiger

- 2. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Nach einer strengen Tour komme ich zurück auf dem Stützpunkt. Durch einen Planungsfehler war ich zu früh bei einer Klientin, welche noch nicht zuhause war von der Physiotherapie. Nach einer Viertelstunde Wartezeit und mehreren Telefonaten ging ich weiter und verschob den Einsatz, welcher nur 30 Minuten geht, um ihn später durchzuführen. Bei einem anderen Einsatz für einen Verbandswechsel war das notwendige Material nicht vor Ort und ich musste zurück auf den Stützpunkt, wobei ich wieder Zeit verlor. Im Verlauf des Morgens kam noch ein Telefonat einer Fachfrau Gesundheit. Sie hat sich vor dem Einsatz eingelesen und gesehen, dass sich die Intervention zum Verbandswechsel nicht deckt mit den Anweisungen der Wundsprechstunde. Zusammen schauen wir, wie sie weiter vorgehen soll.
Nun ist die Tour beendet und eigentlich hätte ich zwei Fehler und einen Beinahe-Zwischenfall, welche ich melden könnte. Doch ich habe auf der Tour dadurch genügend Zeit verloren und eigentlich möchte ich in den Mittag, um mich zu stärken, bevor es am Nachmittag weiter geht.
Die symbolische Pflegetour soll die alltägliche Realität von vielen Pflegefachpersonen in der Spitex darstellen. Oftmals erlebe ich es, dass Fehler nicht als solche erkannt werden oder nicht bekannt ist, dass jegliche Fehler gemeldet werden können und sollen. Bei Medikationsfehlern ist es bekannt, ansonsten jedoch oft kaum. Weiter wird bei vielen Pflegefachpersonen der Mehrwert einer Meldung nicht erkannt, da sie oft nie wieder etwas davon hören.

CIRS
Das bekannteste Instrument ist CIRS (Critical Incident Reporting System). Es gilt als zentrales Werkzeug zur Verbesserung der Patientensicherheit. Über CIRS können Mitarbeitende anonym Beinahe-Zwischenfälle oder Fehler melden, ohne Angst vor persönlichen Konsequenzen haben zu müssen. Der entscheidende Mehrwert liegt darin, dass nicht einzelne Personen „an den Pranger gestellt“ werden, sondern dass Schwachstellen in Abläufen, Strukturen oder Prozessen sichtbar werden. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich gezielte Massnahmen ableiten, um zukünftige Ereignisse zu vermeiden und die Qualität der Versorgung nachhaltig zu verbessern.
Was läuft schief?
Hier sind ein paar der häufigsten Gründe, warum CIRS in vielen Einrichtungen nur halbherzig genutzt wird:
Zeitmangel / Überlastung Nach einem langen, strengen Dienst noch ein Formular ausfüllen? Dafür bleibt oft keine Kraft oder aufgrund persönlicher Verpflichtungen kann nicht noch mehr Überzeit geleistet werden.
Keine Lust auf Mehrarbeit Wenn Meldungen kompliziert sind oder viel Bürokratie bedeuten, sinkt die Bereitschaft rapide.
„Es passiert eh nichts“ Weil man selten sieht, wie aus der Meldung etwas wird. Keine Rückmeldung, keine sichtbaren Änderungen.
Angst vor Konsequenzen Wenn der Fehler persönlich gemacht wurde und im Betrieb keine offene Fehlerkultur gelebt wird, dann schweigt man lieber.
Diese Gründe zeigen, dass ein Meldesystem allein nicht ausreicht. Es muss vertrauenswürdig, leicht zugänglich, anonym sein und vor allem: man muss sehen, dass sich etwas ändert.
Wieso CIRS trotzdem extrem wichtig ist
Ja, es ist Arbeit. Ja, es kostet vielleicht ein bisschen Nerven. Aber:
Patientensicherheit steigt, wenn Risiken und Schwachstellen erkannt werden, bevor etwas Schlimmeres passiert. Beinahe-Fehler sind Warnsignale. Und aus bereits passierten Fehlern ist es umso wichtiger, dass sie nicht erneut geschehen.
Gesetzliche Vorgaben: In der Schweiz verlangt z.B. der neue Qualitätsartikel im Bundesgesetz über die Krankenversicherung (Art. 58g KVV) bestimmte Meldesysteme wie CIRS, damit Einrichtungen OKP-Zulassung erhalten.
Qualitätsverbesserung & Lernen im Team: Meldungen eröffnen Lernpotenzial. Prozesse können angepasst, Schulungen verbessert, Arbeitsabläufe sicherer gemacht werden.
Mitarbeiterzufriedenheit: Wenn Fehler als Lernchancen und nicht als Schuldstempel verstanden werden, fühlt sich das Team mehr unterstützt, statt ständig unter Druck zu stehen. Kooperative Teamkultur und hohe Pflegequalität haben einen positiven Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit (Arnold et al., 2024).
Wie muss ein Betrieb CIRS so aufbauen, dass es funktioniert?
Damit aus Theorie Praxis wird, braucht es ein gutes Fundament. Hier sind die Kernbausteine:
Rolle von new win & Better Nursing
newwin ist Partnerorganisation von Better Nursing. Gemeinsam unterstützen wir Institutionen auf dem Weg zu einer wirksamen Fehlerkultur. Die new-win SW Solutions AG aus Suhr bringt über 20 Jahre Erfahrung im Schweizer Gesundheitswesen mit und ist spezialisiert auf cloudbasierte Meldesysteme.
Mit H-CIRS in Varianten wie Starter, Professional oder Community bietet newwin Systeme, die anonym, mobil und gesetzeskonform gemäss OKP-Zulassungsanforderungen sind. Das Produktportfolio umfasst zudem H-FEEDBACK für Rückmeldungen und H-IDEE für Verbesserungsvorschläge.
Better Nursing ergänzt diese technische Kompetenz mit gezielten Schulungen, Change-Management und Coaching, damit Mitarbeitende nicht nur ein System haben, sondern auch Vertrauen und Sicherheit darin gewinnen. So wird CIRS nachhaltig implementiert oder erfolgreich wiederbelebt – denn Technologie allein reicht nicht aus.
Schlussfolgerung
Wenn Pflegepersonen nicht melden, kann das diverse Gründe haben. Diese sollten ermittelt werden. Denn wer wirklich will, dass CIRS funktioniert, muss:
Meldung einfach und anonym machen
Rückmeldung geben und sichtbare Verbesserungen zeigen
Führung zeigen, Schuldzuweisungen vermeiden
Systematische Einbindung von CIRS in das Qualitätsmanagement
Denn ein Fehler, der nicht gemeldet wird, ist ein Fehler, der sich wiederholen kann. Und das gefährdet nicht nur Patient*innen, sondern auch Mitarbeitende und die Glaubwürdigkeit der ganzen Einrichtung.

Carole Steiger
Pflegeexpertin MScN
Better Nursing GmbH
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Literatur
Arnold, D. M., Posch, D. A., & Selhofer, L. (2024). Einblick in die Arbeitswelt der Pflegefachpersonen in Schweizer Spitälern im Jahr 2024.
Verordnung Über Die Krankenversicherung (KVV). Retrieved 12 September 2025, from https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1995/3867_3867_3867/de
Newwin Meldesysteme im Gesundheitswesen (abgerufen am 12.09.2025) von Startseite | new-win SW Solutions AG




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