Bezugspersonenpflege in der Spitex - Kontinuität als Schlüssel zur Qualität
- carolesteiger
- 24. Juni
- 3 Min. Lesezeit
In der ambulanten Pflege, insbesondere im Spitex-Bereich, ist Kontinuität ein entscheidender Faktor für die Pflegequalität. Die Bezugspersonenpflege bietet hierfür ein erprobtes Modell, das nicht nur für Klient*innen, sondern auch für Pflegefachpersonen zahlreiche Vorteile mit sich bringt. Doch was genau ist Bezugspersonenpflege, woher kommt das Konzept und welchen Einfluss hat sie?

Was ist die Bezugspersonenpflege?
In der Bezugspflegende übernimmt eine Pflegefachperson das pflegerische Management der Klient*innen und seiner Angehörigen vom Eintritt bis zum Austritt. Sie ist für die umfassende, kontinuierliche, patientenorientierte und interdisziplinär abgesprochene Planung und Durchführung der Pflege und Betreuung der Klientin / des Klienten und seiner Angehörigen auf der Basis des Pflegeprozesses verantwortlich.
Die Bezugspflege basiert auf diesen Kernelementen:
Professionelle Beziehung
Verantwortung
Kontinuität
Kommunikation
Koordination
Bezugspflegende sind zentrale Ansprechpersonen für Patienten, ihre Familien und das interdisziplinäre Team. Diese Rolle erfordert umfangreiche Kompetenzen.
Die Wurzeln der Bezugspersonenpflege reichen zurück bis in die 1960er-Jahre, als in den USA das Modell der „Primary Nursing“ von der Pflegewissenschaftlerin Marie Manthey entwickelt wurde. Die Pflege entwickelte sich über die Jahre von einem rein tätigkeitsorientierten, funktionellen Tätigkeit zu einem Ansatz, in welchem die Klient*innen und ihre Angehörigen im Zentrum stehen und ganzheitlich Versorgt werden.
Ziele der Bezugspersonenpflege
1. Verbesserte Pflegequalität: Durch die kontinuierliche Betreuung entsteht ein vertieftes Verständnis für die individuellen Bedürfnisse der Klient*innen, was die Pflege effektiver und personalisierter macht.
2. Höhere Zufriedenheit bei Klient*innen und Angehörigen: Die Beziehung zur Bezugsperson schafft Vertrauen, was insbesondere im häuslichen Umfeld der Spitex eine tragende Rolle spielt.
3. Erhöhte Berufszufriedenheit für Pflegefachpersonen: Pflegende berichten von mehr Autonomie, Verantwortung und Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit. Dies kann auch zur Mitarbeiterbindung beitragen. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil angesichts des Fachkräftemangels.
4. Effizientere Abläufe: Die klare Zuteilung von Verantwortlichkeiten erleichtert die Organisation, reduziert Doppelspurigkeiten und verbessert die Kommunikation im Team.
Bezugspersonenpflege als Antwort auf wachsende Komplexität
Die ambulante Pflege steht heute vor der Herausforderung, immer komplexere Klient*innensituationen zu bewältigen: Multimorbidität, Polypharmazie, psychosoziale Belastungen, demenzielle Erkrankungen oder instabile häusliche Verhältnisse sind längst keine Ausnahme mehr. Zugleich nehmen Schnittstellen und Koordinationsbedarfe durch die zunehmende Fragmentierung des Gesundheitssystems zu.
In diesem Kontext gewinnt die Bezugspersonenpflege zusätzlich an Bedeutung. Durch ihre Struktur, dass eine Pflegefachperson die Verantwortung für den gesamten Pflegeprozess übernimmt, schafft sie nicht nur Kontinuität, sondern auch Übersicht und Verbindlichkeit. Das wirkt entlastend für alle Beteiligten: Klient*innen, Angehörige und das interprofessionelle Netzwerk.
Marie Manthey, die Begründerin des Primary-Nursing-Modells, betont, dass insbesondere in komplexen Pflegesituationen Beziehung und Verantwortungsübernahme durch eine Bezugspflegeperson Stabilität schaffen und damit die Pflegequalität sichern.
Erfahrungen mit der Bezugspersonenpflege
Durch die kontinuierliche Betreuung und die festgelegten Verantwortlichkeiten konnten insbesondere folgende Hauptveränderungen beobachtet werden:
Pflegende übernehmen bewusst Verantwortung im Pflegeprozess
Probleme und Ressourcen werden durch Kontinuität früh erkannt
Verlegungs- und Entlassungsvorbereitungen beginnen rechtzeitig
Die Bezugspersonenpflege ist mehr als ein Modell, sie ist eine Haltung. In der Spitex kann sie eine bedeutende Rolle spielen, um die Beziehung zwischen Klient*innen und Pflegefachpersonen zu stärken, die Qualität zu verbessern und Pflegefachpersonen zu motivieren. Ihre Einführung ist anspruchsvoll, aber lohnenswert. Für Klient*innen, Pflegefachpersonen und Organisationen gleichermassen.

Carole Steiger
Pflegeexpertin MScN
Better Nursing GmbH
Literaturverzeichnis
Arx-Strässler, F. V., & Erzinger-Manea, E. (2008). Die Bezugspflege – Ein patientenorientiertes Pflegesystem. Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie, 212(S 1), s-2008-1079079. https://doi.org/10.1055/s-2008-1079079
Fröhlich, M. R., Becker, C., Handel, E., & Spirig, R. (2013). Die Implementierung von Bezugspflege im intensivpflegerischen Setting – Evaluation mit dem Instrument zur Erfassung von Pflegesystemen (IzEP). Pflege, 26(5), 357–367. https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000318
Jenkins, R., Jähnke, A., & Bischofberger, I. (2021). Gut leben zuhause mit Multimorbidität: Praxisprojekt zum Beitrag der klinischen Pflegeexpertise MSc / APN in der häuslichen Pflege. Pflege, 34(6), 311–319. https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000838
Manthey, M. (2002). The Practice of Primary Nursing. Creative Health Care Management, Inc.
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