Sturzprävention im Alltag der Spitex – wir müssen handeln
- carolesteiger
- 27. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Im Alter nimmt das Sturzrisiko aufgrund körperlicher und geistiger Alterungsprozesse stetig zu. Jährlich stürzen in der Schweiz über 90’000 Personen im Alter über 65 Jahren (Niemann et al., 2022). Viele davon mit schwerwiegenden Folgen: wiederholte Spitalaufenthalte, der Verlust der Mobilität, bleibende Pflegebedürftigkeit oder sogar der Umzug in eine Langzeitpflegeinstitution. Für 1'607 Menschen jährlich endet ein Sturz tödlich (Niemann et al., 2022). Viele dieser Unfälle ereignen sich im eigenen Zuhause der Personen. Dort, wo sich ältere Menschen eigentlich am sichersten fühlen sollten.
Die Konsequenz liegt auf der Hand: Die Schaffung einer sicheren Wohnumgebung muss ein zentrales Element jeder wirksamen Sturzprävention sein, insbesondere für uns in der Spitex.
Warum müssen wir jetzt handeln?
Die demografische Entwicklung ist eindeutig: Unsere Gesellschaft altert, und mit ihr steigen die Anforderungen an eine sichere, ambulante Pflege. Die Spitex kann durch gezielte Sturzprävention Spitex die oben genannten negativen Folgen, wie wiederholte Spitalaufenthalte, Verlust der Mobilität, erhöhte Pflegebedürftigkeit etc. verhindern. Dies führt somit zu selbstständigeren Klientinnen und Klienten, welche länger Zuhause wohnen können.

Zum Glück gibt es konkrete und praxistaugliche Ansätze. Allen voran das Projekt StoppSturz. Es unterstützt ambulante Dienste dabei, Sturzrisiken frühzeitig zu erkennen und gezielt zu handeln (Gerold et al., 2023).
Umsetzung in der Praxis
So könnte Sturzprophylaxe umgesetzt werden:
Früherkennung: Alle Mitarbeitenden inklusive Hauswirtschaft und Psychiatrie werden in der Früherkennung eines Sturzrisikos geschult.
Strukturiertes Assessment: Mithilfe von Tools (Sturzprotokoll, Sturzanamnese, Checkliste Wohnraumabklärung) werden Risiken früh erkannt. Bei der Bedarfsabklärung ebenso wie bei Veränderungen des Gesundheitszustands.
Massnahmenplanung: Auf Basis der gesammelten Informationen werden konkrete, evidenzbasierte Interventionen definiert, wie beispielsweise Gehtraining über die Wohnraumanpassung bis hin zur ärztlichen Abklärung.
Regelmässige Evaluation: Durch eine geschulte Pflegefachperson oder Pflegeexpertin / Pflegeexperte werden die Massnahmen in regelmässigen Abständen evaluiert und angepasst.
Praxisbeispiel: Frau Müller ist gestürzt
Frau Müller (durchschnittliche Spitex Klientin aus den Home Care Data) ist 70 Jahre alt, lebt alleine in ihrer 3-Zimmer-Wohnung im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses ohne Lift. Sie ist kognitiv fit, hat aber in letzter Zeit über Schwindel beim Aufstehen geklagt und ist beim schnellen Aufstehen vom Stuhl in der Wohnung gestürzt. Sie kann sich nach einigen Minuten selbst zurück auf den Stuhl mobilisieren. Am Nachmittag kommt die Spitex zu ihr und unterstützt Frau Müller in der Haushaltsführung. Frau Müller erzählt von ihrem Sturz und sagt auch, dass sie Angst hat, erneut zu stürzen. Die Haushaltshilfe erkennt das Sturzrisiko und informiert die fallführende Pflegefachperson. Diese geht vor Ort, führt das Sturzprotokoll aus und führt eine Sturzanamnese durch.
Aus der Sturzanamnese geht ein moderates Sturzrisiko hervor. Frau Müller und die Pflegefachperson definieren als Risiken der Schwindel und die Mobilität. Weiter planen sie, die Wohnraum und Hilfsmittel zusammen anzuschauen. Weiter gibt die Pflegefachperson verschiedene Flyer ab, welche über Hilfsmittel informieren und Übungen zur Sturzprophylaxe zeigen.
So setzt ihr es in euerer Organisation um
Führungsteam einbinden: Geschäftsleitung und Teamleitungen müssen hinter der Umsetzung stehen, mit klaren Zielen, Ressourcen und Kommunikation.
Team schulen: Mitarbeitende müssen wissen, wie das Assessment der Sturzprävention funktioniert und was bei erhöhtem Risiko konkret zu tun ist.
Abläufe anpassen: Assessment und Präventionsplanung müssen in bestehende Prozesse (z. B. Bedarfsabklärung, Reassessment, Pflegeplanung) integriert werden.
Interdisziplinär denken: Physiotherapie, Hausärzt:innen und Angehörige gehören mit ins Boot.
Schlussfolgerung
Sturzprävention ist kein Zusatz. Sie ist Teil unseres pflegerischen Selbstverständnisses. Und sie funktioniert. Wenn wir Risiken frühzeitig erkennen und gezielte, evidenzbasierte Massnahmen einleiten, schützen wir nicht nur Gesundheit, sondern oft auch Selbstständigkeit, Lebensqualität und Würde unserer Klientinnen und Klienten.
Möchtet ihr das Thema Sturzprävention priorisieren und benötigt Unterstützung in der Planung und Umsetzung? Gerne beraten wir euch.

Carole Steiger
Pflegeexpertin MScN
Better Nursing GmbH
Quellen
BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung. (2016). STATUS 2016: Statistik der Nichtbetriebsunfälle und des Sicherheitsniveaus in der Schweiz. Strassenverkehr, Sport, Haus und Freizeit. https://doi.org/10.13100/BFU.2.275.01
Birnea, M., Höhn, S., Jenkins, R., Karabegovic, A., & Wilmes, F. (2021). StoppSturz Vorgehen Spitex. Manual. PHS Pubil Health Services.
Gerold, J., Schur, N., Wyss, K., & Schwenkglenks, M. (2023). PGV-Projektevaluation: StoppSturz—Schlussbericht Evaluation.
Niemann, S., Achermann Stürmer, Y., Derrer, P., & Ellenberger, L. (2022). Status 2022: Statistik der Nichtberufsunfälle und des Sicherheitsniveaus in der Schweiz. https://doi.org/10.13100/BFU.2.465.01.2022
Mehr Informationen zum Projekt StoppSturz und Matierial: https://www.bfu.ch/stoppsturz/spitex-und-pflege
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